Trends bei den Versicherungen: Customer Analytics wird zum strategischen Geschäftsfeld

21.10.2019

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eine Nachlese zum Leipziger Versicherungsforum „Big Data und Data Analytics“ 2019 – von Dr. Jörg Reinnarth

Big/Smart Data ist zwar bereits seit mehreren Jahren in aller Munde. Aber wenn man sich die Menge an relevanten und erfolgreichen Projekten ansieht, dann spielt die konsequente Analyse von Daten bisher im Versicherungsbereich außerhalb von Aktuariaten eine untergeordnete Rolle. Bis heute.

Auf den Leipziger Versicherungsvorträgen zeigte sich in den Gesprächen und in den Vorträgen von z.B. (hier bitte die Unternehmen einfügen), dass Big/Smart Data einen deutlichen Schritt gemacht hat und für Versicherungen zum strategischen Geschäftsfeld wird. Wir zeigen hier die wesentlichen Trends und Änderungen zu den Jahren vorher.

Versicherungen Trends
Trends in der Versicherungsbranche

Trend 1: Analytics wird erwachsen

Standen vor drei bis vier Jahren noch Vorträge rund um Big Data Plattformen hoch im Kurs (in denen die IT Abteilungen darüber erzählten, dass man gerade dabei war, „einmal alles an Daten zu sammeln, was man finden kann und dann in eine Plattform zu kippen“) waren es in den letzten 1-2 Jahren vor allem die Analytics Abteilungen, die Modelle und Analysen vorstellten, die auf den neuen Daten-Plattformen ausgeführt worden waren. Das Problem jedoch war, dass diese Analysen ein Nischendasein fristeten. Die Modelle waren zwar erfolgreich (im Sinne von guter Vorhersagequalität), fanden allerdings im Unternehmen keine Verwendung.

Im Sinne von „From Data“ (Daten Sammeln – wie vor 3-4 Jahren) „to Insights“ (Daten Analysieren – wie vor 1-2 Jahren) befinden wir uns nun im Zeitalter von „to Action“.

Die Vorträge zeigten, dass Analytics nicht mehr nur Selbstzweck ist (Informationen generieren), sondern sich die Versicherungen darauf fokussieren, aus den Insights direkte Aktionen zu generieren, um im Marketing, der Storno-Prävention oder der Schadensabwicklung konkrete gewinnbringende Use Cases umzusetzen.

Analytics ist damit nicht mehr die Spielerei einiger Abteilungen, sondern ein gewinnbringender Zweig im Unternehmen.

Trend 2: Denken in Use Cases

Wurde in den letzten Jahren noch in Plattformen (Daten zusammenbringen) oder in Modellen (Analysen) gedacht, steht nun bei den Versicherungen das Denken in Use Cases im Vordergrund.

„Wie nutzen wir die Informationen? Welche Bedürfnisse haben die Kunden? Wie verbessern wir die Prozesse?“ Solche und ähnliche Fragestellungen werden ganzheitlich (End-to-End) von allen relevanten Abteilungen gemeinsam diskutiert, und nicht mehr nur in den einzelnen Bereichen mit ihrer singulären Sichtweise. Deutlich gereift zeigen sich die Unternehmen in hollistischen Teams, die ganzheitlich die Use Cases entwickeln, nach Business Cases priorisieren, von den Vorständen absegnen lassen und dann zum wirklichen Einsatz bringen und am Mehrwert gemessen werden. Dies ist ein deutlicher Schritt in der Reife von Analytics und Smart Data.

Trend 3: Vom Nischenthema zum strategischen Geschäftsfeld

Neben der Entwicklung aus der Analytics-Abteilung hinaus in unternehmensweite Teams, zur gemeinsamen Umsetzung von Use Cases, ist das Thema Analytics auch dabei, sich als strategisches Geschäftsfeld zu etablieren. In ca. 40% der Unternehmen ist das Thema Customer Analytics in den strategischen Zielen mittlerweile verankert und wird von den Vorständen konsequent mit vorangetrieben und betrachtet. Zwar sind 40% noch immer nicht einmal jede zweite Versicherung, aber im Vergleich zu den letzten Jahren, in denen Analytics nur von Experten-Abteilungen betrachtet wurde, ist dies ein großer Sprung für eine ganzheitliche Nutzung von Analytics im Unternehmen.

Trend 4: Analytics wird als Organisationsthema verstanden

In den letzten Jahren ging es bei Analytics im Kern hauptsächlich um Daten und Modelle. Ein Grund, wieso Analytics lange Zeit ein Nischenthema blieb; da jeder Bereich einzeln mit den Daten und Modellen arbeitete. Dieses Jahr zeigt sich, dass die meisten Versicherungen Analytics unter dem Aspekt ‚Menschen und Organisation‘ betrachten. Die Fragen: „Wie muss ich meine Organisation schneiden, um Analytics optimal im Unternehmen zu verankern? Welche Skills benötigen meine MitarbeiterInnen? Wie bilde ich meine MitarbeiterInnen optimal weiter? Wie organisiere ich die Teams, den Austausch und das gemeinsame Wachstum?“ wurden immer an vorderster Stelle für die gelungene Nutzung von Analytics im Unternehmen bezeichnet.

Dabei zeigt sich, dass die Unternehmen sehr pragmatisch und MitarbeiterInnen-orientiert an das Thema rangehen. Die viel und oft dogmatisch diskutierte Frage: „Bauen wir Analytic Know How und Skills eher zentrale (in einer Abteilung) oder dezentral (jede Abteilung Ihre eigenen Analysten) auf?“ begegnen viele Versicherungen mit einer Mischung aus beiden Welten. Zentrale Experten in einer gemeinsamen Abteilungen stellen die Qualität und den Know-How-Austausch für die dezentralen Abteilungen sicher, und steigern so die generelle Expertise und den Einsatz von Analytics im Unternehmen, während die dezentralen KollegInnen für die notwendige Flexibilität in den einzelnen Abteilungen sorgen.

Trend 5: Fokussierung auf Ergebnisse, aber mit Freiräumen für 'Test and Learn'

Eine der Hauptprobleme bei Analytics liegt darin, dass kein Ergebnis auch eine Ergebnis ist. Dies bedeutet, dass man durchaus einmal drei Monate in eine Analyse stecken kann, um dann zu realisieren, dass die Analyse leider nicht nutzbar ist. Immerhin ist diese Erkenntnis auch ein Ergebnis!

In den letzten Jahren hatten Analytics Abteilungen sehr viel Zeit und Geld für Test and Learn, was leider allzu oft dazu führte, dass zu viel probiert wurde, ohne dem Unternehmen einen Mehrwert zu geben.

In den letzten zwei Jahren hat sich die Anspruchshaltung geändert, allerdings zum Glück auf ein sinnvolles Niveau. Die Analytics soll generell nutzbare und gewinnbringende Ergebnisse liefern. Allerdings wird Ihr immer noch genug Freiraum eingeräumt, um Dinge zu testen und „keine Ergebnisse“ zu produzieren.

Durch den Mittelweg wird Analytics deutlich nutzbarer für die Versicherungen, ohne einen unnötigen (und nicht realisierbaren) Druck aufzubauen, dass jede Analyse direkt verwendbar sein muss.

Trend 6: Datenschutz im Fokus

Datenschutz steht bei Versicherungen hoch im Kurs. Mit dem Thema Analytics ist gleichzeitig das Thema Datenschutz noch stärker im Bewusstsein der Entscheider angekommen. Versicherungen analysieren sehr genau im Vorfeld, welche Daten verwendet werden können und welche nicht, und betrachten den Schutz von Daten und Kunden als wichtiges gut. Kein Vortrag ohne den Hinweis auf den Datenschutz und den richtigen Einsatz von Kundendaten.

Trend 7: Technologiefirmen werden zu Beratern

Auf den Leipziger Versicherungsforen gab es nicht nur Vorträge von Versicherungen, sondern auch einige Software/Technologie-Anbieter, die stark im Versicherungsbereich aktiv sind. Der Trend bei Software-Anbietern geht hier hin zur Entwicklung als ‚Trusted Consultants‘. Die Anbieter fokussieren sich nicht nur auf Ihre Lösungen, sondern auch auf den Aufbau eigener Beratungseinheiten für den Versicherungsbereich. Die Firmen wollen den Versicherungen Mehrwert nicht nur in Form von Technologie, sondern auch in Form von Business- und Umsetzungs-Know-How anbieten.

Zukunftstrend: Data Driven Company

2019 ist eigentlich das Jahr der Data Driven Company. Kein Vorstand, der nicht branchenübergreifend mehr Daten und Informationen für objektive Unternehmensentscheidungen einsetzen will. Die Realität sieht in den meisten Unternehmen (und auch in der Versicherungsbranche) jedoch Bescheiden aus. Die konsequente Entwicklung von Analytics und die konsequente Umsetzung in Use Cases zeigt jedoch, wie gut Unternehmen sich aufstellen, um Insights und Modelle für die Geschäftsentwicklung zu nutzen.

Durch den konsequenten Aufbau der Datenbasis vor drei bis vier Jahren, durch die Lernerfahrung in der Modellbildung in den letzten zwei Jahren und den Aufbau von bereichsweiten Teams, um Use Cases zu definieren und erfolgreich umzusetzen, sind die Voraussetzungen für den Aufbau der Data Driven Companys geschaffen worden.

Noch sind Versicherungen zwar noch nicht so weit, aber die Ausgangslage ist optimal. Unternehmen, die Next Best Activities berechnet haben („Welcher Kunde wird als nächstes welches Produkt kaufen?“), können diese Informationen z.B. sofort zur Jahresplanung nutzen, eben da sie nun wissen, wieviele Kunden welche Produkte kaufen würden. Diese Planung kann dabei auf Vertriebsregionen oder sogar auf einzelne Vertriebsmitarbeiter und deren Kundenstamm heruntergebrochen werden. Wenn sich dann abzeichnet, dass gewisse Produkte bisher vom Vertriebler/Vermittler nicht angeboten wurden und ein hohes Potenzial da ist, kann durch gezielte Schulungen der Vertriebler/Vermittler weiterentwickelt und das Potential gehoben werden.

Versicherungen haben in den letzten Jahren eine optimale Ausgangsbasis geschaffen, um Unternehmen in Data Driven Companies zu transformieren. Und mit der Verankerung in der Unternehmensstrategie und durch die Umsetzung durch bereichsübergreifende Teams, stehen Versicherung in einer idealen Startposition für die nächsten Jahre. Good Job!

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