Megatrend Digitalisierung

13.10.2015

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Für Unternehmen wird der richtige Umgang mit der fortschreitenden Digitalisierung eine zunehmend komplexere und herausfordernde Aufgabe. Die Logik vieler Geschäftsprozesse ist mit dieser Entwicklung konfrontiert und muss daher in ihrer Denkweise überarbeitet werden. Dieser Artikel zeigt auf, dass die Digitalisierung einen Einfluss auf alle Branchen ausübt und welche Chancen sich dahinter für betroffene Unternehmen verbergen.

 

Die Digitalisierung steht in einer Reihe zahlreicher wirtschaftlicher Megatrends, die das globale Wirtschaftssystem seit Anfang des 19. Jahrhunderts beeinflussen und in der Innovationsforschung auch Kondratieff-Zyklen genannt werden. Jeder dieser Megatrends steht für einen enormen technologischen Wandel, der neue Märkte erschaffen und brancheninterne Spielregeln radikal umgewälzt hat. Diese langfristig zu beobachtende Wirtschaftsentwicklung hatte ihren Ausgangpunkt in der Erfindung der Dampfmaschine, wodurch die Industrialisierung ermöglicht wurde. Weitere Meilensteine sind der Ausbau des Eisenbahnnetzes, die wirtschaftliche Nutzung von Elektrizität, die massive Verbreitung des Automobils und aktuell die Hochphase der Informationstechnologie mit der Verbreitung des Internets bis hin zur fortwährenden Digitalisierung der Wirtschaft sowie des Kundenverhaltens.

Daraus resultierende technologische Entwicklungen ermöglichen völlig neue Vertriebs- und Marketingmöglichkeiten. Speziell für das Customer Relationship Management lassen sich zahlreiche Optimierungspotentiale erkennen. Derzeit setzt sich daher in immer mehr Branchen und ehemals analogen Industriezweigen die Erkenntnis durch, dass sich nur mit der konsequenten Digitalisierung aller Geschäftsprozesse und der Ermöglichung von digitalen Produkten und Dienstleistungen über alle Vertriebskanäle hinweg die Zukunft eines Unternehmens sichern lässt.

Handel als warnendes Beispiel

Insbesondere der Handel wird seit einigen Jahren stark von den Auswirkungen der Digitalisierung beeinflusst. Einerseits wird der positive Einfluss durch das Entstehen neuer, marktdominierender Unternehmen wie Amazon oder Ebay deutlich und betont die enormen Wachstumschancen, die sich durch die Digitalisierung ergeben. Auf der anderen Seite wird aber auch im Zuge dessen die Wirkung disruptiver Technologien erkennbar, wodurch etablierte Unternehmen ihre Markposition verlieren bzw. komplett aus einem Markt gedrängt werden. Die Customer Experience und die Customer Journey müssen in diesem Zusammenhang radikal neu durchdacht werden.

Amazon oder andere erfolgreiche e-Commerce Händler haben diesen Wandel verstanden und den Kundennutzen in den Fokus der Geschäftsprozesse gestellt. Das Einkaufserlebnis oder die Expertise hinsichtlich Kundenwünschen, die jahrzehntelang als Kernkompetenzen des Einzelhandels bzw. des Fachhandels galten, sind ersetzt worden durch die Analyse und Auswertung von Kundenverhalten im Onlinebereich, weswegen der Next-Best-Offer-Ansatz wesentlich genauer auf Konsumentenverhalten angepasst und darüber hinaus in Echtzeit orchestriert werden muss. Auf diese Weise wird bei einer möglichst hohen Kundenanzahl trotzdem die Präferenz eines einzelnen Kunden in der Angebotsausspielung angesprochen. So gesehen wird dem Kunden immer nur das angeboten, wofür er sich interessiert oder was ihm einen direkten Nutzen bringen kann. Das alles auf Basis von analytisch ausgewerteten Kundendaten.

Scheinbar gute Voraussetzungen für Telekommunikationsunternehmen

Im Vergleich zum Handel hat die Telekommunikationsbranche dahingehend einen entscheidenden Vorteil. Sie bildet mit ihrer Netzinfrastruktur vor allem für den Mobilfunk das Rückgrat der Digitalisierung und profitiert bereits von dieser Infrastruktur. Um in Zukunft dennoch nicht nur als Kooperationspartner für Serviceinnovationen herzuhalten, müssen Telekommunikationsunternehmen jedoch ihre guten Voraussetzungen proaktiver nutzen. Es gilt das veränderte Kundenverhalten zum eigenen Vorteil zu machen, indem die Range an digitalen Dienstleistungen erhöht bzw. ins Serviceportfolio mit aufgenommen wird und man sich nicht nur als Infrastrukturanbieter versteht, sondern Trends wie dem Internet der Dinge und die Möglichkeiten durch Big Data zum eigenen Vorteil macht, um die eigenen Services (z.B. Smart Home) zu differenzieren und einen direkten Kundenkontakt beizubehalten.

Für Mobilfunkanbieter wäre es somit sicherlich von Interesse neben Daten- und Mobilfunktarifen auch solche Dienste anzubieten, die mit einem Vorstoß in neue Geschäftsfelder verbunden sind. Aktuell profitieren Dienste wie Spotify, Netflix oder eben auch Amazon von digitalen Wertschöpfungsketten, deren Bereitstellung elementar von der Infrastruktur der Telekommunikationsbranche abhängt. Hier sollte das Motto für die Zukunft lauten, dass Telekommunikationsunternehmen sich auch mit solchen Anwendungen bzw. digitalen Diensten beschäftigen, die sich im ersten Moment abseits des eigenen Geschäftsumfeldes befinden, in denen sie dennoch ihre Kernkompetenzen mit einbringen können. Zudem wird dadurch entgegengewirkt entscheidende technologische oder prozessuale Innovationen zu verschlafen.

Versicherer stehen vor großem Umbruch

Die digitale Welt wird auch für Versicherungen zur neuen Normalität. Bisherige Schutzbarrieren wie lange Vertragslaufzeiten, relative geringe Kontaktfrequenzen zum Kunden oder asymmetrische Informationsqualität hinsichtlich der Produkte rücken in den Hintergrund, da Kunden sich der Möglichkeiten der digitalen Transformation bewusst sind und entsprechende digitale Servicedienstleistungen von Versicherungen erwarten.

Vor allem der Trend, dass Kunden bzw. die heranwachsende Kundengruppe der Digital Natives selbst bestimmen, wann und wo sie Angebote wahrnehmen wollen, zwingt die Versicherungsbranche zukünftig organisatorische Anpassungen in der Vertriebslogik sowie der Kommunikationswege vorzunehmen, um eine echte Omni-Channel Fähigkeit und Kundenzentrierung zu erreichen. Zahlreiche Aggregatoren wie bspw. Vergleichsplattformen oder soziale Netzwerke im Internet weisen auf den aktuellen Trend hin, dass ein Machtwechsel von Produzenten hin zu Konsumenten stattfindet. Die Kunden verändern den Kommunikationsprozess mit Unternehmen und lösen bisherige Regeln in der Kundenansprache auf. Das neue Selbstverständnis auf Kundenseite ist gekoppelt mit einer verstärkten Wechselbereitschaft bei der Anbieterauswahl. Für die Kunden wird es zukünftig noch leichter durch einen Klick den Telefonanbieter, den Stromanbieter oder eben jenen Versicherer zu wechseln, da technologische Entwicklungen der Digitalisierung dies ermöglichen und Anbieterinformationen transparenter vorliegen.

Heutzutage ist es mittlerweile üblich, dass Kunden sich vor Vertragsabschluss relevante Produktinformationen einholen und diese online mit anderen Produktangeboten vergleichen. Zusätzlich müssen Prozesse im Backend der Versicherer verändert und die technologischen Möglichkeiten, die u.a. durch Big Data entstehen, genutzt werden. Eine möglichst effiziente Nutzung von Kundendaten führt schließlich zu einer risikogerechteren Aufteilung von Kundensegmenten und zu einer differenzierteren Preisgestaltung. Dabei gilt natürlich die Prämisse, dass jederzeit Datenschutzanforderungen seitens der Unternehmen eingehalten werden.

Es sollte nichtsdestotrotz der Anspruch der Versicherer sein, dort zu sein wo der Kunde ist. Die verstärkte Nutzung von Wearables oder der in Deutschland eingeplante Einsatz des Notrufsystems eCall für Kraftfahrzeuge können dazu genutzt werden in real-time Kundendaten zu tracken und in die Prämienkalkulation einfließen zu lassen. Die Basis hierzu ist eine leistungsfähige IT-Infrastruktur, welche Enabler wie eine Real-Time-Decision- Engine oder einen kanalübergreifenden Datenhub beinhaltet. Dafür gilt es, zeitnah technische und organisatorische Voraussetzungen zu schaffen.

Banken werden zu Datenbanken

Auch der Finanzdienstleistungsbereich steht angesichts der Digitalisierung vor einem massiven Veränderungsprozess. Hierbei betrifft es vor allem die Bankenwelt, die erst nach jahrelanger Verzögerung realisiert, welchen Impact eine Umwandlung von analogen Geschäftsprozessen in digitale auslösen kann. Der Slogan von Bill Gates „Banking is necessary, banks are not“ ist in diesem Zusammenhang daher aktueller denn je.

Ähnlich, wie der durch die digitale Disruption ausgelöste Paradigmenwechsel die oben genannten Branchen betrifft, wird auch die hiesige Bankenwelt davon beeinflusst, dass neu aufkommende
Technologien und innovative Servicedienstleistungen den traditionellen Serviceangeboten Konkurrenz machen. Neue Akteure, wie bspw. PayPal (Mobile Payment), Payeleven (Mobile Banking) oder die Direktbank Fidor Bank, sind teilweise seit Jahren am Markt und werden den etablierten Banken demnächst insbesondere beim Thema Zahlungsverkehrsabwicklung entgegentreten. Betroffen sind deshalb in erster Linie weniger beratungsintensive und leicht zu standardisierende Finanzdienste.

Solche Commodities sind in den Produkt- und Serviceportfolios zahlreicher Banken zu finden (z.B. Girokonten, Kontokorrent-Kredite, Spar- und Depositeneinlagen oder kanalübergreifende Beratungs-
dienste), wodurch es für technologie-getriebene Neu-Akteure bzw. Fintechs leicht gemacht wird, mit innovativen und kundenorientierten Lösungsansätzen in den Markt einzutreten und den etablierten Unternehmen Druck zu machen. Daher müssen Banken bei der Gestaltung der Kundenkommunikation auf die steigende Affinität der Endverbraucher achten und in Folge dessen in der Lage sein, digitale Mehrwertleistungen anzubieten. Das hat nicht nur Einfluss auf die IT-Infrastruktur und die Anbindung neuer Kommunikationskanäle, sondern auch grundlegend auf das Geschäftsmodell, womit insbesondere das analoge Filialnetz gemeint ist. Die Banken sollten sich nicht der Entwicklung verschließen, dass die Bereitschaft der Kunden, eine Filiale zu betreten, in Zukunft abnehmen wird.

Eine allumfassende Digitalisierungsstrategie beinhaltet demnach einen vollumfänglichen Transformationsprozess einhergehend mit einer radikalen Innovationskur. Der Vorteil von Banken
gegenüber Fintechs liegt in diesem Zusammenhang darin, dass bereits spezifische Finanzkompetenzen, der sichere Umgang mit sensiblen Kundendaten sowie Umsetzungskompetenzen mit regulatorischen Anforderungen gewährleistet sind. In diesem Punkt haben u.a. die Fintechs noch Nachholbedarf.

All diese Punkte gilt es somit in ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell zu integrieren. Hinzu kommen moderne Datenanalysemethoden sowie die nahtlose und kundenzentrierte Integration aller Vertriebskanäle, um dem veränderten Kundenverhalten und den neuen Anforderungen des digitalen Zeitalters gerecht zu werden.

Fazit

Marc Andreessen, der Gründer von Netscape und der Venture-Capital-Firma Andreessen Horowitz sagte bereits voraus, dass Software die Welt essen wird. Die Digitalisierung steht somit ohne Zweifel
in einer Reihe mit Megatrends, die seit Beginn der Industrialisierung fortlaufen. Die technologiegetriebenen Innovationen werden jedoch nicht nur aus dem Technologiesektor kommen.

Unternehmen aus den oben genannten Branchen, die den Ritt auf der ersten Welle der digitalen Revolution verpasst haben, haben die Möglichkeit von den anderen zu lernen. Sie können nun vorankommen und sich für die digitale Welt erneuern. Das Bewusstsein, dass diese Entwicklung jedoch etwas vollkommen Normales im Zuge der langen Wirtschaftszyklen ist, muss erst noch in den Unternehmen implementiert werden. Erst wenn Veränderungsdruck als Chance gesehen wird, kann es Unternehmen mit der nötigen Expertise im strategischen und operativen Bereich gelingen, eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie aufzusetzen und erfolgreich umzusetzen. Dafür sind drei Stellschrauben entscheidend. Erstens muss eine analytische Infrastruktur aufgebaut werden, um eine geeignete Datenbasis sicherzustellen. Zweitens sollten alle internen und externen Prozesse digitalisiert sowie damit einhergehend die Services für den direkten Kundenkontakt vereinfacht werden. Drittens
sollten zudem die organisatorischen Voraussetzungen für die Umsetzung einer umfassenden Digitalstrategie geschaffen werden.

 

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